“Wir haben Fehler von Schulministerin Löhrmann einfach laufen lassen”

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Aus Wahlniederlagen lernt man — vielleicht.

NRW hat gewählt. Den Sieg davongetragen haben die christlich-kapitalistische CDU und die neoliberale FDP (33,0 % bzw. 12,6 %). SPD und Grüne rutschten ab auf 31,2 % bzw. 6,4 %. Eine gewisse rechtspopulistische Partei bekam aus dem Stand 7,5 %. Die Wahlbeteiligung lag bei 65,2 %. (Welcher Schüler kann ausrechnen, wie hoch die Wahlbeteiligung gewesen wäre, wenn jene 7,5 % der Wähler nicht zur Wahl gegangen wären?)

Im Wahlkreis Nr. 5 (Rhein-Erft-Kreis I, bestehend aus den Gemeinden Bergheim, Pulheim, Elsdorf und Bedburg) hat die Kandidatin der CDU, Romina Plonsker, dem bisherigen Inhaber Guido van den Berg (SPD) das Direktmandat abgerungen. Ein gewisser parteiloser Direktkandidat erhielt 343 Stimmen, stolze 0,4 %. Van den Berg bleibt über die Landesliste seiner Partei Mitglied des Landtags.

Auf van den Bergs Homepage ist ein Interview nachzulesen, welches er dem Kölner Stadt-Anzeiger und der Kölnischen Rundschau gegeben hat. Frage: “Was hat aus Ihrer Sicht zu dem für die SPD desaströsen Ergebnis im Land geführt?” Van den Berg:

Wir haben uns erkennbar zu wenig um die Bildungspolitik gekümmert und Fehler von Ministerin Löhrmann einfach laufen lassen. […]

Hört, hört! Wobei: Warum hat die SPD die Fehler der Schulministerin “einfach laufen lassen”? Sechs Jahre erfolgloses Herumdoktern an G8, schlecht durchdachte und schlecht umgesetzte Inklusion, rechtswidrige Prüfungen im Zentralabitur etc. — das passiert doch nicht einfach so. Hat die SPD diesen Tinnef nur “laufen lassen” oder hat sie nicht vielmehr dabei mitgemacht und ihn mitzuverantworten?

An anderer Stelle auf van den Bergs Homepage ist zu lesen:

Diese Wahl war eine bittere Niederlage. Der nun notwendige Prozess der Analyse und Neuorientierung wird nicht einfach werden, muss aber sein. […]

Die nächsten Tage werde [sic!] wir von der NRW-SPD damit verbringen zu analysieren [sic!] wie es zu diesem Ergebnis kommen konnte. Anschließend gilt es für uns die richtigen Schlüsse zu ziehen und die nächsten Jahre sehr gute Oppositionsarbeit zu machen.

Van den Berg beginnt die Analyse schon auf derselben Internetseite (mit modernisierter Zeichensetzung1):

Wir haben in der Zeit in der Regierung sehr viel erreicht. NRW steht eindeutig besser da, [sic!] als zu dem Zeitpunkt [sic!] als wir die Regierung 2010 wieder übernommen haben. Aber es ist auch ganz klar: Wir konnten unsere Politik und unsere Erfolge den Bürgern nicht vermitteln und konnten sie nicht davon überzeugen, unseren Weg weiter zu beschreiten.

Ach so! Es lag gar nicht an der schlechten Politik, sondern an der schlechten Vermittlung der guten, erfolgreichen Politik. Aber: Wo sind die Fehler der Ministerin Löhrmann geblieben?

Was die Schulpolitik angeht, so empfehlen wir für die anstehende Analyse und Neuorientierung die regelmäßige Lektüre von Schule intakt. Da fällt uns ein: Der Abgeordnete van den Berg hat immer noch nicht auf die Fragen aus dem offenen Brief geantwortet (siehe hier). Wer “sehr gute Oppositionsarbeit” machen will, sollte das endlich nachholen. Auch Heiner Flassbecks Worte auf Makroskop (“NRW: SPD-Desaster mit Ansage”) sollte die SPD nicht ignorieren:

Die SPD ist in den vergangenen fünfzehn Jahren von einer Handvoll Nordlichtern programmatisch entleert und moralisch enthauptet worden. Das begann in der ersten Generation mit Schröder, setzt sich über Clement (das ist der Mann, der schon immer in die CDU gehörte, aber über Jahrzehnte in der SPD für jeden Posten genommen wurde) bis zu Müntefering fort (der vermutlich nie verstanden hat, was mit ihm passiert). […]

Die Masse der Noch-SPD-Anhänger begreift offenbar nicht, dass man die linke Seite nicht vollkommen aufgeben kann und immer dann, wenn man es gerade für einen Wahlkampf braucht, eine scheinbar linke Karte zieht. So dumm ist das Volk, NRW hat es bewiesen, dann doch nicht. Wer sich heute noch mit der Agenda 2010 und mit Hartz IV brüstet, rennt genau damit in die von der CDU aufgestellte Falle.

[…] Zu sagen, diese Reformen waren aber „notwendig für unser Land und dessen heutigen Erfolg“, holt für die SPD keinen Hund hinter dem Ofen hervor, selbst wenn man glaubt, dass das von der Sache her richtig ist – was jedoch nicht stimmt.

Weisheiten von Franz Müntefering — van den Berg war von 2008 bis 2010 dessen Referent im Deutschen Bundestag — sind vielleicht für Analyse und Neuorientierung nicht so hilfreich (Quelle: van den Berg):

Seitdem wir das gelesen haben, grübeln wir, was wohl angenehmer wäre: einsam zu Hause sein Mittagessen essen oder in Gesellschaft von Guido van den Berg und Franz Müntefering, einem Befürworter der Agenda 2010? Vielleicht bekämen wir dann endlich Antworten… Oder lieber beim Italiener mit Romina Plonsker? Oder mit Tuvok in Neelix’ Casino auf der Voyager? Oder bei McDonald’s mit Donald Trump und dem bayrischen Innenminister? Oder Spargelessen mit Sylvia Löhrmann? Nein, dann doch lieber allein zu Hause oder mit Marion Maréchal-Le Pen an der Côte d’Azur!

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  1. Franz Lemmermeyer lässt grüßen: “Ich weiß nicht, wann die deutschen Journalisten begonnen haben, vor jedem als ein Komma zu setzen. Es ist wohl schon eine Weile her; inzwischen heißt es zwar

    I know more than you do
    Je sai plus que toi
    Yo se mas que tu
    aber:
    Ich weiß mehr, als du.

    Es ist zum Verzweifeln. Das ganze erinnert an die Hanswurste von Fußballkommentatoren, die seit einigen Monaten ständig mit der Anzahl der überspielten Gegner kommen und meinen, das würde irgendetwas bedeuten.”